06.07.2021
Popularklage
gerichtet
an den Bayerischen Verfassungsgerichtshof, Prielmayerstr.
5, 80335 München
Ernst-Günther
Krause, Diplom-Handelslehrer, Carl-von-Linde-Str. 11, 85716 Unterschleißheim,
sowie
der Bund für Geistesfreiheit Bayern, K.d.ö.R., vertreten durch dessen Vorsitzenden
Erwin Schmid, Hemauer Str. 15, 93047 Regensburg,
die gbs-Regionalgruppe
München im Förderkreis der Giordano-Bruno-Stiftung e.V.,
vertreten durch deren Vorsitzenden Rainer Statz, Mühlstr. 26, 82064 Straßlach,
beantragen
gemäß Art. 98 Satz 4 BayVerf i.V.m.
Art. 55 Abs. 1 VfGHG festzustellen, dass
Artikel 47 Abs. 1 und Artikel
47 Abs. 3 BayEUG, zuletzt geändert durch das Gesetz
zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen
vom 06.07.2021, verfassungswidrig sind.
A. Der Popularklage
zugrundeliegende Gesetzesänderungen
Art. 47 BayEUG
hatte bis zur Änderung vom 06.07.2021 folgenden Wortlaut:
(1)
Ethikunterricht ist für diejenigen Schülerinnen und Schüler Pflichtfach, die
nicht am Religionsunterricht teilnehmen.
(2) 1Der Ethikunterricht dient
der Erziehung der Schülerinnen und Schüler zu werteinsichtigem Urteilen und
Handeln. 2Sein Inhalt orientiert sich an den sittlichen Grundsätzen,
wie sie in der Verfassung und im Grundgesetz niedergelegt sind. 3Im
Übrigen berücksichtigt er die Pluralität der Bekenntnisse und Weltanschauungen.
Art. 47 Abs. 1 BayEUG wurde durch das Gesetz vom 06.07.2021 wie folgt
geändert:
(1) Schülerinnen
und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, sind verpflichtet am
Ethikunterricht oder am islamischen Unterricht teilzunehmen.
Art. 47 Abs. 3 BayEUG wurde durch das Gesetz vom 06.07.2021 neu eingefügt:
(3) 1Abs.
2 gilt entsprechend für den Islamischen Unterricht. 2Dieser
vermittelt zugleich Wissen über die Weltreligion Islam und behandelt sie in
interkultureller Sicht.
B. Begründung der
Verfassungswidrigkeit
Verfassung des Freistaates
Bayern
Art. 136 Abs. 2 der Verfassung des Freistaates Bayern
lautet (Hervorhebungen jeweils durch die Antragsteller):
„Der Religionsunterricht ist ordentliches
Lehrfach aller Volksschulen, Berufsschulen, mittleren und höheren
Lehranstalten. Er wird erteilt in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der
betreffenden Religionsgemeinschaft.“
In der Begründung des Gesetzentwurfs (Anlage 1) ist
auf Seite 4 festgehalten:
„Der islamische Unterricht kann
nicht als Religionsunterricht im verfassungsrechtlichen Sinn ausgestaltet
werden.“ (…) „Der vom Staat allein verantwortete islamische Unterricht kann deshalb
lediglich als Alternative zum Ethikunterricht konzipiert werden.“
Was darunter verstanden werden soll, ist die
Weiterführung des Modellversuchs „Islamischer Unterricht“. In der Begründung
für den Gesetzentwurf heißt es auf Seite 5:
„Für eine Verstetigung des ‚islamischen Unterrichts‘
aus dem Modellversuch als staatliches Angebot bedarf es einer normativen
Umsetzung (…)“.
Für diese Verstetigung fallen laut Gesetzentwurf,
Seite 1, folgende Kosten an:
„Der neue Unterricht macht in der Einführungsphase ab
dem Schuljahre 2021/2022 wie bisher im Modellversuch ca. 75 Stellenkapazitäten
erforderlich. Damit werden 350 Standorte ermöglicht.
Die Bereitstellung weiterer Personalressourcen für
eine maßvolle bedarfsgerechte Ausweitung der Standorte bleibt künftigen
Haushalten vorbehalten.
Die übrigen
Änderungen verursachen keine Kosten bzw. werden aus Mitteln des Haushalts (z.B.
der Lehrerfortbildung) abgedeckt.“
Daraus
ist zu schließen: Der „Islamische Unterricht“ wird wie im Modellversuch mit
denselben Lehrkräften fortgesetzt.
Lehrpläne
Im Modellversuch wurden die Lehrpläne für den Islamischen
Unterricht für die Jahrgänge 1-4 und
5-10 verwendet (Anlagen 2a + 3a sowie https://www.isb.bayern.de/schulart
spezifisches/lehrplan/modellversuch-islamischer-unterricht/). Diese bestanden zu großen
Teilen aus der Vermittlung von
Glaubenswahrheiten und der Wertebildung
auf Basis dieser Glaubenswahrheiten.
Erlanger Lehrplan
Die
Modellversuchs-Lehrpläne fußten auf dem sogenannten „Erlanger Lehrplan“. Dieser
hatte folgende Vorgeschichte:
„Im Schuljahr
2003/2004 startete an der Erlanger Grundschule an der Brucker
Lache der erste bayerische Modellversuch eines ‚Islamunterrichts‘. Der
Unterricht wird bewusst nicht als ‚islamische Religionslehre‘ bezeichnet, da es
sich noch nicht um die im Artikel 7 des Grundgesetzes vorgesehene Stufe des
Religionsunterrichts handelt, bei der der Staat die Aufsicht behält, eine
Religionsgemeinschaft aber den Inhalt des Unterrichts bestimmt. In Erlangen
wird der Unterricht staatlich durchgeführt, allerdings in Kooperation mit der
Islamischen Religionsgemeinschaft Erlangen (IRE). Dieser Zusammenschluss von
Erlanger Muslimen wird vom Bayerischen Kultusministerium nicht offiziell als
Religionsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes anerkannt, allerdings als
Ansprechpartner für die Durchführung des Islamunterrichts akzeptiert. Den
Lehrplan des Islamunterrichts in Erlangen erstellte eine Kommission des
Kultusministeriums, deren Mitglieder durch das Ministerium selbst und die
Islamische Religionsgemeinschaft Erlangen bestimmt wurden.“
Wolfgang Kerler: Zwei Seiten einer Medaille. Der
Islamunterricht in Berlin und Erlangen im Vergleich, Erlangen 2008, ISSN
1434-5218, Seite 10 f. https://www.regionenforschung.uni-erlangen.de/publikationen/
dokumente/Zwei_Seiten_einer_MedaillekorrigiertDruckfassung.pdf, abgerufen am 11.05.2021.
Auf der Webseite der IRE http://www.ir-erlangen.de/index.php, abgerufen am 11.05.2021, ist
zu lesen:
„Die Islamische
Religionsgemeinschaft Erlangen existiert seit Anfang 2000. Sie ist ein
Zusammenschluss der in Erlangen lebenden Muslime. Sie hat sich zum Ziel
gesetzt, u.a. insbesondere als Ansprechpartner für den Islamischen
Religionsunterricht in den deutschen Schulen (IRU) zu agieren.
Im Schuljahr
2003/2004 wurde ein bundesweit einmaliges Pilotprojekt, das so genannte
"Erlanger Modell" auf Antrag der IRE an der Grundschule Brucker Lache eingeführt.“
Auf der Webseite http://www.ir-erlangen.de/index.php/%C3%BCber-uns
definiert sich die IRE:
„Die IRE versteht
sich als Plattform für die in Erlangen lebenden Musliminnen und Muslime.“
Die Islamische Religionsgemeinschaft Erlangen e.V.
nennt sich selbst Religionsgemeinschaft, obwohl sie es im juristisch
definierten Sinn nicht ist. Auf ihrer Webseite nennt sie elf Ziele, von denen
das dritte Ziel lautet:
„Ihr obliegt die
Zusammenarbeit mit den dafür zuständigen Gremien des Bayerischen Kultusministeriums
BKM und anderen für diesen Bereich zuständigen Behörden. Ihr obliegt weiterhin
die Vorbereitung und Durchführung des Islamischen Religionsunterrichts in
Erlangen, insbesondere durch die Ausarbeitung von Curricula und Richtlinien für
den Islamischen Religionsunterricht, die Erarbeitung von Richtlinien für die
Ausbildung der Lehrkräfte sowie die Ausarbeitung von Lehrbüchern für den
Islamischen Religionsunterricht. Für die Durchführung dieser Aufgaben ergibt
sich eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Vorstandes bedarf.“
Vergleich der
Lehrpläne
Die Modellversuchs-Lehrpläne Islamischer Unterricht
stellten inhaltlich Lehrpläne für einen islamischen Religionsunterricht dar. Sie
fanden ihr Pendant in den Lehrplänen für katholischen und evangelischen
Religionsunterricht. Es sind keine wesentlichen Differenzen zu erkennen. Die
neuen Lehrpläne, die ab dem Schuljahr 2021/22 gelten sollen (Lehrplankonzept
und Lehrplanmodell LehrplanPLUS; Anlagen 2b + 3b),
waren schon vor der Verabschiedung der Änderung von Art. 47 BayEUG
entwickelt worden. Bei den neuen Lehrplänen für Islamischen Unterricht verhält
es sich genauso wie beim früheren Modellversuch; es fehlen wesentliche,
signifikante Differenzen gegenüber konfessionellen christlichen Lehrplänen.
An dieser Stelle können angesichts des Umfangs der
Lehrpläne nur beispielhaft Auszüge als Beweis für die Feststellung
wiedergegeben werden, wonach sich die Lehrpläne des bekenntnisgebundenen
katholischen und evangelischen Religionsunterrichts sowie des Modellversuchs
Islamischer Unterricht und der neue LehrplanPLUS sehr
stark ähneln. Andererseits unterscheiden sie sich völlig von den Lehrplänen für
den Ethikunterricht. Die vollständigen Lehrpläne sind entweder ganz oder
teilweise diesem Antrag beigefügt oder per Link auf der Webseite des
Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) einsehbar.
Auszug aus Islamischer Unterricht – LehrplanPLUS – Grundschule (Anlage
2c)
Lernbereich 3:
Glaubenslehre des Islams (1./2. Jahrgang)
Kompetenzerwartungen
Die Schülerinnen und Schüler …
· geben altersgemäß
reflektiert Auskunft über unterschiedliche Gottesvorstellungen.
· erkennen die
Bedeutung des islamischen Monotheismus und deuten den Kernsatz des muslimischen
Glaubensbekenntnisses sowie die monotheistische Kernaussage des muslimischen
Glaubens auf Deutsch und Arabisch.
· setzen die
Schöpfungsgeschichte aus dem Koran mit ihren eigenen Vorstellungen vom Werden
und Sinn der Welt in Beziehung und deuten die Welt als Gabe Gottes.
· begründen aus dem
Verständnis der Welt als Gottes Schöpfung ein verantwortungsvolles Handeln
gegenüber sich selbst, ihren Mitmenschen und der Natur und entwickeln
Vorschläge, wie sie selbst die Welt schützen können.
Inhalte
zu den Kompetenzen
· Basmala
· Schahada
· Eingottglaube, Mehrgottglaube
· Beispiele aus dem
Alltag wie Keimen, Wachsen, Vergehen von Pflanzen; Entwicklung und Fähigkeiten
von Lebewesen; Staunen, Freude und Dank über Gottes Schöpfung
· Gottes
Eigenschaften, z. B. Gott als der Allsehende, Allhörende, Allwissende,
Barmherzige
· koranische
Schöpfungsgeschichte; Schöpfungsüberlieferung: Adam und Eva, Paradies, Welt
· Begriffe: Gott als
Schöpfer, Schöpfung
· eigener
verantwortungsvoller Umgang mit der Schöpfung, z. B. Mülltrennung,
Energiesparen
Lernbereich 4:
Propheten (1./2. Jahrgang)
Kompetenzerwartungen
Die Schülerinnen
und Schüler …
· erzählen auf Grundlage
eines altersgemäßen Verständnisses Geschichten ausgewählter Propheten aus der
islamischen Tradition.
· erklären den
Begriff Prophet.
· erkennen, dass im
Islam die Propheten von Gott auserwählte Menschen waren, die sich durch eine
bestimmte Botschaft und herausgehobene Charakterzüge auszeichneten.
Inhalte zu den Kompetenzen
· Episoden
Josephs/Yusufs mit folgenden Schwerpunkten: Josephs/Yusufs Familie, Josephs/
Yusufs Traum, Joseph/Yusuf im Brunnen, Joseph/Yusuf in Ägypten, das Wiedersehen
mit seiner Familie
· Geduld/sabr als Leitmotiv der Josephs-/Yusufsgeschichte
· weitere Aspekte
der Josephs-/Yusufsgeschichte: z. B. Heimat, Krise,
Neuanfang, Vertrauen, Eltern-Kind-Beziehung
· die Geschichte
Noahs/Nuhs
· gemeinsame
Charakterzüge in Erzählungen über Propheten, u. a. Ehrlichkeit,
Hilfsbereitschaft, Güte und Barmherzigkeit
Auszug aus Islamischer Unterricht – LehrplanPLUS – Mittelschule (Anlage
3c)
Lernbereich 5.3:
Glaubenslehre des Islams (5. Jahrgang)
Kompetenzerwartungen
Die Schülerinnen
und Schüler ...
· erklären die
Bedeutung des Glaubensbekenntnisses (Schahada) für
Musliminnen und Muslime und geben über Situationen Auskunft, in denen die Schahada eine besondere Rolle spielt.
· reflektieren die
Bedeutung von Islam und Muslimin/Muslim.
· erkennen, dass die
sog. „99 Namen Gottes“ dem islamischen Verständnis nach zugleich Gottes
Eigenschaften und Fähigkeiten sind.
· verstehen die Welt
und die Natur als Schöpfung Gottes und erklären deren Bedeutung für das Leben
eines Menschen muslimischen Glaubens.
· erkennen ihre eigene
Verantwortung gegenüber der Schöpfung und bewerten Eingriffe des Menschen
kritisch.
Inhalte zu den Kompetenzen
· das islamische
Glaubensbekenntnis: das Bekenntnis zu Gott und zu Muhammad, Schahada
bei z. B. Geburt, Festen, Todesfall
· Islam: Frieden, Hingabe,
Unterwerfung; Muslimin/Muslim: friedvoller, gottergebener Mensch
· Gottes
Eigenschaften und Fähigkeiten, z. B. Gott existiert, liebt seine Geschöpfe, ist
gerecht und barmherzig, hört, sieht und spricht die Menschen an, ist
allmächtig, allgegenwärtig, allwissend, z. B. K 20:82
· Verhältnis von
Mensch und Schöpfung, z. B. Verantwortung und Verpflichtung gegenüber Gottes
Schöpfung, Solidarität und Engagement
· Eingriffe des
Menschen, z. B. Umweltverschmutzung, Flussbegradigung, Wasserkreislauf,
Nahrungskette
Lernbereich 5.4:
Propheten (5. Jahrgang)
Kompetenzerwartungen
Die Schülerinnen
und Schüler ...
· beschreiben, wie
Allah/Gott sich im Islam den Propheten auf unterschiedlichen Wegen mitteilt.
· erkennen, dass
Propheten aus der Tradition des Islams als Menschen ihrer Zeit gehandelt haben.
· erklären, dass aus
muslimischer Sicht der Koran als das Wort Gottes gilt, das dem Gesandten
Muhammad durch den Engel Gabriel/Dschibril offenbart wurde.
· erkennen, dass
auch andere Religionen auf der Offenbarung Allahs/Gottes beruhen.
Inhalte zu den Kompetenzen
· Allahs/Gottes
Offenbarung geschieht z. B. durch Eingebung, Verlesung, Intuition, Inspiration
und Träume, Stimme Gottes, Zeichen
· Koran als Wort
Gottes/Allahs
· verschiedene
Propheten, z.B. Moses/Musa, Noah/Nuh, Jesus/Îsâ ausgewählten
Erzählungen
Lehrpläne für Katholische Religionslehre an
Grundschulen (Anlage 4a)
Für jeden Lernbereich gibt es eine
detaillierte Beschreibung der Kompetenzen und Inhalte
Quelle: https://www.lehrplanplus.bayern.de/fachlehrplan/grundschule/1/katholische-religionslehre
Katholische Religionslehre (1./2.
Jahrgang)
KR1/2 Lernbereich 1: Jeder Mensch – einmalig und gemeinschaftsbezogen
KR1/2 Lernbereich 2: Die Größe und Vielfalt der Welt – Schöpfung Gottes
KR1/2 Lernbereich 3: Nach Gott fragen – Gottesvorstellungen und biblische
Glaubenszeugnisse
KR1/2 Lernbereich 4: Ausdrucksformen des
Glaubens an Gott – Beten und Handeln, Bilder und Symbole
KR1/2 Lernbereich 5: Die Heilige Schrift – biblische Glaubenserfahrungen
KR1/2 Lernbereich 6: Die Zuwendung Jesu zu den Menschen – die Botschaft vom
Reich Gottes
KR1/2 Lernbereich 7: Jesus, der Christus – Leben, Leiden, Tod und
Auferstehung
KR1/2 Lernbereich 8: In der Gemeinde leben – zur katholischen Kirche
gehören
KR1/2 Lernbereich 9: Den Glauben feiern – Gottesdienst und Kirchenjahr
KR1/2 Lernbereich 10: Menschen anderer Religionen und Weltanschauungen
begegnen
Lehrpläne für Evangelische Religionslehre an
Grundschulen (Anlage 5a)
Für jeden Lernbereich gibt es eine
detaillierte Beschreibung
Quelle: https://www.lehrplanplus.bayern.de/fachlehrplan/grundschule/1/evangelische-religionslehre
Evangelische Religionslehre (1./2.
Jahrgang)
ER1/2 Lernbereich 1: Nach Gott fragen – Gott begleitet
ER1/2 Lernbereich 2: Jesus Christus – Gott wird Mensch
ER1/2 Lernbereich 3: Unsere Welt – Gottes Schöpfung
ER1/2 Lernbereich 4: Gemeinsam das Kirchenjahr erleben
ER1/2 Lernbereich 5: Beten – mit Gott im Gespräch sein
ER1/2 Lernbereich 6: Kirche – Haus Gottes
ER1/2 Lernbereich 7: Andere in ihrer Vielfalt wahrnehmen und Eigenes
entdecken
ER1/2 Lernbereich 8: Die Bibel als besonderes Buch entdecken
ER1/2 Lernbereich 9: Über mich und mein Leben nachdenken
ER1/2 Lernbereich 10: Mit anderen gut zusammenleben
Lehrpläne für Katholische Religionslehre an Mittelschulen
(Anlage 4b)
Quelle: https://www.lehrplanplus.bayern.de/fachlehrplan/mittelschule/5/katholische-religionslehre
Katholische Religionslehre (5.
Jahrgang)
KR5 Lernbereich 1: Einzigartig und vielfältig – miteinander Leben gestalten
KR5 Lernbereich 2: Von Gott begleitet – biblische Gotteserfahrung und
eigener Lebensweg
KR5 Lernbereich 3: Die Heilige Schrift – Buch des Lebens und des Glaubens
KR5 Lernbereich 4: Zeit und Umwelt Jesu – Messiaserwartung
des Volkes Israel
KR5 Lernbereich 5: Leben in einer Gemeinde – den Glauben an Jesus Christus
feiernd ausdrücken
Lehrpläne für Evangelische Religionslehre an
Mittelschulen (Anlage 5b)
Quelle: https://www.lehrplanplus.bayern.de/fachlehrplan/mittelschule/5/evangelische-religionslehre
Evangelische Religionslehre (5.
Jahrgang)
ER5 Lernbereich 1: Ich und die anderen
ER5 Lernbereich 2: Die Bibel – ein Buch der Vielfalt
ER5 Lernbereich 3: Gott begleitet auf dem Lebensweg
ER5 Lernbereich 4: Glaube wird sichtbar
ER5 Lernbereich 5: Mit Worten verantwortungsvoll umgehen
Ethik-Fachlehrpläne Grundschule (Anlage 6a)
Quelle: https://www.lehrplanplus.bayern.de/fachlehrplan/grundschule/1/ethik
Ethik Fachlehrpläne Grundschule (1./2.
Jahrgang)
(Lernbereiche mit religionskundlichen Inhalten sind
von den Antragstellern durch Fettdruck hervorgehoben.)
Eth1/2 Lernbereich 1: Menschsein: Sich selbst begegnen
Eth1/2 1.1 Die eigene Einmaligkeit erkennen
Eth1/2 1.2 Eigene Grenzen erkennen und Hilfe annehmen
Eth1/2 1.3 Eigene Gefühle wahrnehmen und unterscheiden
Eth1/2 1.4 Mit eigenen Wünschen umgehen
Eth1/2 Lernbereich 2: Zusammenleben: Dem anderen begegnen
Eth1/2 2.1 In unterschiedlichen Gemeinschaften leben
Eth1/2 2.2 Über Regeln nachdenken
Eth1/2 2.3 Mit Konflikten umgehen
Eth1/2 2.4 Sich respektvoll und wertschätzend begegnen
Eth1/2 2.5 Anderen helfen
Eth1/2 Lernbereich 3: Religion und
Kultur: Dem Leben begegnen
Eth1/2 3.1 Rituale des Alltags verstehen und schätzen
Eth1/2 3.2 Feste und Feiertage im
eigenen Leben erkennen und verstehen
Ethik-Fachlehrpläne Mittelschule (Anlage 6b)
Quelle: https://www.lehrplanplus.bayern.de/fachlehrplan/mittelschule/5/ethik
Ethik Fachlehrpläne Mittelschule (5.
Jahrgang)
(Lernbereiche mit religionskundlichen Inhalten sind
von den Antragstellern durch Fettdruck hervorgehoben.)
Eth5 Lernbereich 1: Meine Wahrnehmung, meine Wirklichkeit
Eth5 Lernbereich 2: In Familien und Gemeinschaften leben
Eth5 Lernbereich 3: Spielen
Eth5 Lernbereich 4: Feste und Riten
in Religion und Brauchtum
Einzig
die gymnasialen Lehrpläne für Ethik enthalten zeitliche Vorgaben für die
einzelnen Lernbereiche. Nimmt man diese zum Maßstab, liegt der Anteil der
Ethik-Lernbereiche mit religionskundlichen Inhalten bei rund 20 Prozent. Mithin
sind 80 Prozent des Ethikunterrichts ausgefüllt mit Inhalten, die einer breit
und zugleich tief angelegten Persönlichkeitsbildung dienen, und zwar auf der
Basis der Werteordnung der Bayerischen Verfassung und des Grundgesetzes sowie
der universellen Menschenrechte.
Umgekehrt
sind mindestens 80 Prozent der Lehrpläne für den katholischen und evangelischen
Religionsunterricht ausgefüllt mit Glaubenswahrheiten und den Werten, die sich
daraus für das religiös begründete Leben der katholischen und evangelischen
Schülerinnen und Schüler ergeben. Die Lehrpläne für den Modellversuch
„Islamischer Unterricht“ und für sein Nachfolgemodell sind als nahezu
identisches Abbild der Lehrpläne für katholischen und evangelischen
Religionsunterricht einzustufen – lediglich mit anderen Glaubenswahrheiten und
Werten.
Verfassungswidrige Auswahl von
Glaubenswahrheiten
Schon
bei der Erstellung der Modellversuchspläne hat der Staat in zweifacher Weise gegen
die verfassungsrechtlichen Vorgaben verstoßen: Zum einen hat er von den
konkurrierenden islamischen Verbänden/Vereinigungen und Vertretern diejenigen
ausgewählt, die ihm am ehesten für die Auswahl der Inhalte des islamischen
Unterrichts geeignet erschienen. Zum anderen hat der Staat anschließend durch
Annahme und Ablehnung der vorgeschlagenen Glaubenswahrheiten maßgeblich die zu
vermittelnden Inhalte bestimmt.
Über die Inhalte ihres Glaubens haben Muslime bzw. die verschiedenen
islamischen Strömungen jedoch selbst zu befinden. Die Glaubensinhalte
unterliegen dem Schutz der Religionsfreiheit im engen Sinn. Der Staat darf
nicht seinerseits bestimmte Inhalte als glaubensgemäß deklarieren oder
präsentieren; denn „bei der Festlegung der Glaubenslehren handelt es sich um den
Kernbestandteil des religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechts“ (Thorsten Anger, Islam in der
Schule, Duncker & Humblot, Berlin 2003, S. 384). Vielmehr ist der Staat zu religiös-weltanschaulicher
Neutralität und zur Nicht-Identifikation mit einzelnen Religionen verpflichtet
(statt vieler anderer Belege: Möstl, in: Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern. Kommentar,
2. Aufl. 2017, Art. 131 Rdnr. 5).
Diese Einsicht wird auch durch den Gesetzentwurf
bekräftigt. Denn es heißt in seiner Begründung: Aus der Tatsache, dass es „für die religiöse Erziehung“ einer „kooperierenden
Religionsgemeinschaft“ bedarf, „die den Inhalt ihres Glaubens definiert und die
Lehrkräfte zur Erteilung des Unterrichts bevollmächtigt“, und aus dem Sachverhalt,
dass „die meisten muslimischen Schülerinnen und Schüler
keiner Organisation“ angehören, „die als mit dem Staat kooperierende
Religionsgemeinschaft nach Art.
7 Abs. 3 GG und Art. 136 Abs. 2 BV in Betracht käme“, sei zu folgern, dass ein
staatlich verantworteter Unterricht „lediglich als
Alternative zum Ethikunterricht konzipiert werden“ dürfe (Gesetzentwurf, Begründung, Seite 4).
In der Begründung des Gesetzentwurfs ist auf Seite 4 ein Fazit zu lesen. Ihm
zufolge muss der neue, vom Staat verantwortete Unterricht entkonfessionalisiert
sein und rein islam„kundlich“
ausfallen:
„Die Überarbeitung
des Lehrplans am Ende des Modellversuchs verlagerte den Fokus vom
ursprünglichen „Erlanger Lehrplan“ auf ein entkonfessionalisiertes
Konzept, welches islamkundliche Inhalte mit
Wertebildung verbindet. Im Rahmen der erfolgten Anpassung des Lehrplans an die
Systematik des LehrplanPLUS werden außerdem auf
Reflexion und Textauslegung ausgerichtete Kompetenzerwartung mit islamkundlichen und wertebildenden Lehrinhalten verknüpft.“
Das Konzept und die Lehrkräfte
für Islamischen Unterricht
Wie
das entkonfessionalisierte Konzept angesichts der
Einbettung in das Gesamtgeschehen bewerkstelligt wurde und wie es künftig
gewährleistet werden soll, bleibt eine unbeantwortete Frage. Deutlicher noch:
Es ist unplausibel, dass es sich tatsächlich um ein „entkonfessionalisiertes“
Konzept handelt. Dieser Zweifel wird sogar durch Formulierungen in der Gesetzesbegründung
genährt. Denn der Entwurf des Gesetzes zur Änderung des BayEUG
betont auf Seite 3 die Bruchlosigkeit zwischen dem Modellversuch und dem neuen
Fach. Das neu einzuführende Fach soll „auch künftig
´Islamischer Unterricht` heißen“, um auf diese Weise „die Kontinuität zum
Modellversuch auszudrücken“. Zum Modellversuch selbst ist von Interesse, was die
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) äußerte. Sie hielt in
ihrer zweiseitigen Information „Islamischer Unterricht – Lehramt Erweiterung /
Staatsexamen / Zertifikat“ (Stand 08/20; Anlage 7) fest:
„Als erste
Universität Deutschlands begann die Friedrich-Alexander-Universität (FAU) im
Jahr 2003 mit der Ausbildung von Lehrkräften für den „Schulversuch
Islamunterricht“. Dieses als „Erlanger Modell“ bezeichnete Projekt stellt ein
Vorläufermodell für einen künftigen bekenntnisorientierten islamischen
Religionsunterricht nach Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes dar. Der Schulversuch
ist inzwischen unter der Bezeichnung „Islamischer Unterricht“ auf rund 260
Standorte in Bayern ausgeweitet worden.“
Auch
von juristischer Seite heißt es, dass der Modellversuch Islamischer Unterricht,
„wie die Bestrebungen in anderen Bundesländern, als
(Übergangs-)Schritt zur Einführung eines Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG entsprechenden
islamischen Religionsunterrichts zu verstehen gewesen“ ist. Dies war – so wird
ausdrücklich hervorgehoben – „an den in den Lehrplänen
festgelegten Unterrichtsthemen zu ersehen“ (Heinrich de Wall, Islamkunde als Ethikunterricht?
Verfassungsfragen eines Islam- und Werteunterrichts, in: Kerstin von der
Decken, Angelika Günzel (Hg.), Staat-Religion-Recht,
FS f. Gerhard Robbers, Nomos, Baden-Baden 2020, S. 637 ff. hier S. 638).
Zum
Konzept des Unterrichts, der mit dem Schuljahr 2021/22 beginnen soll, ist deshalb
festzuhalten: Es handelte und handelt sich beim „Islamischen Unterricht“
ersichtlich nur um einen mit einem anderen Namen versehenen “bekenntnisorientierten islamischen
Religionsunterricht“. Dieser soll von denselben Lehrkräften auf Grundlage
des „überarbeiteten“ Lehrplans erteilt werden, die bereits jahrelang beim
Modellversuch „Islamischer Unterricht“ eingesetzt werden. Der ersten Evaluation
des Modellversuchs „Islamischer Unterricht“ 2013/14 (https://www.isb.bayern.de/download/15297/bericht_islam.
pdf) ist auf Seite 17 unter „Aus- und Weiterbildung“ zu
entnehmen, dass 90% (n = 36) der Lehrkräfte über das Zertifikat „Islamische Religionslehre“ verfügen.
„Davon besuchten 33 Lehrkräfte den Lehrgang für
Lehrkräfte des Islamischen Unterrichts an der Akademie für Lehrerbildung und
Personalführung in Dillingen. Drei Lehrkräfte nahmen am Lehrgang teil, verfügen
aber nicht über das Zertifikat „Islamische Religionslehre“. Drei Lehrkräfte
verfügen ohne Teilnahme am Lehrgang über das Zertifikat „Islamische
Religionslehre“. Die für den Islamischen Unterricht relevanten Abschlüsse der
Lehrkräfte verteilen sich wie folgt (sortiert nach Anzahl der Nennungen,
Mehrfachnennungen möglich):
- Ausländisches
Studium mit Abschluss (n = 23)
- Tätigkeit im
Konsulatsdienst (n = 12)
- Zweites
Staatsexamen (n = 5)
- Erstes
Staatsexamen (n = 4)
- Anderes
deutsches Studium mit Abschluss (n = 4)“
Der zweiten Evaluation (http://www.isb.bayern.de/download/24931/evaluationsbericht_
islamischerunterricht_2019_11_07_3.pdf) zufolge unterrichteten 2019 in den Modellversuchsklassen
insgesamt 81 Lehrkräfte, davon 73 ausschließlich in Grund- und Mittelschulen
(S. 17). Zur „Qualifikation und Ausbildung der Lehrkräfte“ ist auf Seite 29
festgehalten, dass
- knapp die Hälfte der Lehrkräfte einen universitären
Abschluss im Fach Islamischer Unterricht von der FAU und
- 86 Prozent an
einem Lehrgang zum Islamischen Unterricht an der Akademie für Lehrerfortbildung
und Personalführung in Dillingen teilgenommen haben.
Auf Seite 30 wird festgestellt:
Insgesamt haben die meisten Lehrkräfte – wie auch
schon bei der Evaluation des Schulversuchs von 2014 (vgl. Holzberger, 2014, S.
17) – ein ausländisches Hochschulstudium abgeschlossen. Dabei handelt es sich
zumeist um ein Lehramtsstudium in den Fächern Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch
als Zweitsprache oder ein allgemeines erziehungswissenschaftliches Studium.
Stellt man die Gruppe der Lehrkräfte mit Abschluss im Fach Islamischer
Unterricht von der FAU jener ohne Abschluss im Fach Islamischer Unterricht von
der FAU gegenüber, so zeigt sich (s. Abbildung 14):
- Die Lehrkräfte mit Abschluss im Fach Islamischer
Unterricht absolvierten häufiger ein Lehramtsstudium mit 2. Staatsexamen (ca.
30 %) oder ein anderes deutsches Hochschulstudium (ca. 20 %).
- Die Lehrkräfte
ohne Abschluss im Fach Islamischer Unterricht verfügen hingegen häufiger über einen ausländischen Hochschulabschluss (86 %)
und/oder Erfahrungen im Konsulatsdienst (ca. 47 %).
Die
Lehrkräfte verwendeten beiden Evaluationen zufolge vor allem zwei Lehrbücher: „Mein Islambuch“ (Jahrgangsstufen 1 bis 4) und „Saphir“ (Jahrgangsstufen 5
bis 8). Schaut man sich beide Bücher an, ist von der Konzeption her kein
Unterschied zu den in großer Zahl angebotenen Büchern festzustellen, die für
diese Jahrgänge im katholischen und evangelischen Religionsunterricht
eingesetzt werden. Die „Saphir“-Lehrbücher werden vom Verlag im Titelblatt als
„Islamisches Religionsbuch für junge Musliminnen und Muslime“ bezeichnet.
Bemerkung zum Fach Ethik
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass das
Unterrichtsfach „Ethik“ 1972 als Ersatzfach eingeführt worden ist: „Allerdings nicht, um damit Weltoffenheit zu demonstrieren, sondern um die
zunehmende Zahl von Abmeldungen vom Religionsunterricht zu reduzieren. Bis
dahin hatten Schüler noch eine Freistunde, blieben sie dem Religionsunterricht
fern.“ (Bayerische Staatszeitung vom 07.07.2017).
Der Staat hat es ein halbes Jahrhundert lang versäumt,
dem ständig wachsenden Bedarf an Ethik-Lehrkräften Rechnung zu tragen.
Gegenwärtig unterrichten ca. 80 Prozent der Ethik-Lehrkräfte fachfremd
(zwischen 77 und 95 Prozent – so die Süddeutsche Zeitung vom 28.11.2019 unter
der Überschrift „Schule in Bayern: Miese Noten für den Ethikunterricht“).
Die niedrige Fachquote ist darauf zurückzuführen, dass
angehende Lehrkräfte in Bayern Ethik lediglich als Erweiterungsfach studieren
oder ihre Kenntnisse bereits durch Teilnahme an wenigen Weiterbildungsstunden
erwerben können. Erkennbare Fortschritte bringt erstmals die Verordnung zur
Änderung der Lehramtsprüfungsordnung I (LPO I) vom 29. Januar 2020. In den §§
45 und 76 sind die Prüfungsanforderungen für die Erste Staatsprüfung für Ethik
(als Unterrichtsfach) und Philosophie/Ethik (vertieft studiert) festgelegt. Mit
den ersten Abschlüssen ist jedoch nicht vor 2022 zu rechnen.
Etikettenschwindel
Wenn
der Modellversuch Islamischer Unterricht durch die Änderung des BayEUG mit den Inhalten verstetigt werden soll, die dem
Modellversuch entlehnt sind, ist dies ein klarer Verstoß gegen Art. 136 Abs. 2
BV. Der oben aus der Gesetzesbegründung zitierte Anspruch, es handele sich um
ein eindeutig „entkonfessionalisiertes
Konzept, welches islamkundliche Inhalte mit
Wertebildung verbindet“, ist nicht eingelöst worden. Vielmehr liegt erkennbar ein
Etikettenschwindel vor. Anders gesagt: Es liegt ein Verstoß gegen das
Transparenzgebot und gegen die Rechtsklarheit vor. Wenn auf einem
Flaschenetikett „Alkoholfreies Bier“ zu lesen ist, muss auch der Inhalt aus
alkoholfreiem Bier und nicht aus alkoholhaltigem Starkbier bestehen.
Es
ist nicht klargestellt, dass – anders als es bis zum Auslaufen des
bekenntnisorientiert angelegten Modellversuchs der Fall war – jetzt eindeutig
lediglich reine „Informationen“ über den Islam geboten werden und dass die
Teile des Modellversuchs, die „Glaubenswahrheiten“ vermittelten, tatsächlich
„aufgegeben“ worden sind oder dass sie zur bloßen Information über den Islam
zumindest klar „umgestaltet“ und abgewandelt worden sind. Dies wäre aus juristischer Sicht erforderlich gewesen – so lautet
unmissverständlich die Aussage bzw. die Forderung des Kirchenrechtlers
Heinrich de Wall in seinem bereits erwähnten Aufsatz, der sich mit der
Verfassungsgemäßheit des neuen Unterrichts beschäftigt; dort Seite 641.
Außerdem bleibt unklar, wie der Anspruch eingelöst wird, dass und auf welcher
Grundlage in dem geplanten Unterricht – abgesehen von der Information über den
Islam, die neutral zu sein hat und die interkulturell bzw. interreligiös
eingebunden sein muss – gemäß Art. 47 Absatz 2 BayEUG
in qualifiziertem Sinn Ethik unterrichtet wird. In Art. 47 Abs. 3 BayEUG (neu) wird in Satz 1 auf Art. 47 Abs. 2 BayEUG ausdrücklich zurückverwiesen.
Ein
Unterrichtsfach mit den Modellversuchsinhalten hätte der Sache nach nie als „islamkundlicher
Unterricht“ bezeichnet werden können. Das wäre eine leicht zu erkennende
falsche Benennung. So blieb jetzt offenbar nichts Anderes übrig, als
Glaubenswahrheiten in neuer, anderer Form als Glaubenskunde auszugeben und den
Bürgerinnen und Bürgern ein X für ein U vorzumachen.
Beim Unterrichtsfach
„Islamischer Unterricht“ handelte und handelt es sich sowohl konzeptionell als
auch faktisch nicht um Islamkunde, sondern um „Islamische Religionslehre“.
Weil der Staat den in Wirklichkeit konfessionellen Unterricht trägt, verletzt
er das Grundrecht auf Religionsfreiheit von Musliminnen und Muslimen und
missachtet das Verfassungsprinzip der weltanschaulichen Neutralität des
Staates. Der Staat darf Glaubenswahrheiten weder vorgeben noch übernehmen noch
ablehnen. Diesbezügliche Verfassungsverstöße haben das Potenzial, die
Grundfesten eines demokratischen Staates zu erschüttern, der der
weltanschaulichen Neutralität verpflichtet ist.
Anforderungen an
Religionsgemeinschaften
Die
Antragsteller haben Verständnis für die Forderung insbesondere der Eltern
muslimischer Schülerinnen und Schüler, dass ihre Kinder wie die Kinder anderer
Religionszugehörigkeit behandelt werden. Wenn die rechtlichen Anforderungen
dafür erfüllt werden, ist dagegen auch nichts einzuwenden. Welche das sein
müssen, hat das OVG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 9.11.2017 unter
Aktenzeichen 19 A 997/02 festgehalten. Die beiden klagenden Verbände,
Gründungsmitglieder des seit März 2007 bestehenden Koordinationsrates der
Muslime in Deutschland (KRM) und Mitwirkende in der Deutschen Islam Konferenz
(DIK), einem Dialogforum der Bundesregierung, hatten die Einstufung und
Anerkennung als Religionsgemeinschaft gefordert.
Absatz 30 des OVG-Urteils:
„Voraussetzung dieses Anspruchs ist, dass die
Kläger Religionsgemeinschaften oder Teile einer Religionsgemeinschaft im Sinn
des Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG sind. Eine Religionsgemeinschaft in diesem Sinn ist
ein Verband, der die Angehörigen ein und desselben Glaubensbekenntnisses oder
mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse zu allseitiger Erfüllung der durch das
gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben zusammenfasst. Diese Merkmale müssen
objektiv, d. h. auf der Grundlage des nach objektiven Umständen feststellbaren
äußeren Erscheinungsbildes und geistigen Gehalts der Gemeinschaft erfüllt
sein.“
Diese
Anforderungen an Religionsgemeinschaften werden von den in Bayern bestehenden
islamischen Vereinen und Verbänden nicht erfüllt.
Die
Antragsteller sehen das Dilemma Religionsunterricht am einfachsten dadurch
gelöst, dass für alle Schülerinnen und Schüler ein verpflichtendes
Unterrichtsfach „Philosophie und Religionskunde“ oder auch „Ethik“ eingerichtet
wird. Auf diese Weise erhalten alle Schülerinnen und Schüler Gelegenheit,
gemeinsam die Welt und die menschliche Existenz zu ergründen, zu deuten und
verstehen zu lernen sowie zu erfahren, welche Antworten die verschiedenen
religiösen und nichtreligiösen Weltanschauungen auf die Fragen geben, die sich
dabei stellen. Ein derartiges Unterrichtsfach hatten Bündnis 90 / Die Grünen
und die FDP bereits in ihren Landtagswahlprogrammen 2018 (Anlage 8) gefordert.
Anhang. Politische Begründung
der Änderung von Art. 47 BayEUG
Die voranstehend dargelegte Einschätzung, dass Art.
47 BayEUG (neu) verfassungswidrig ist, sieht sich
durch die Erste Lesung des Gesetzes bestätigt.
Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler)
begründete die „Alternative zum
Ethikunterricht“ in seiner Rede anlässlich der Ersten Lesung des
Gesetzentwurfs zur Änderung des BayEUG am 20. April
2021: „Dieses Fach hat eine ganze Reihe von
integrationsfördernden Inhalten. Unser Ziel, weit über die Schule hinaus, ist
es, dass in Bayern eine Gesellschaft besteht, die Integration ermöglicht und
schafft.“
Sein zweites Argument: „Sobald dieses Fach verankert
ist, können wir den Lehrkräften, wie das ihr Wunsch war, eine größere
vertragliche Sicherheit gewähren. Diese Sicherheit liegt den Lehrkräften des
Islamischen Unterrichts seit vielen Jahren am Herzen.“
In ihrem Redebeitrag führte die CSU-Abgeordnete Barbara Regitz
aus: „Der Islamunterricht soll als ein Signal an Muslime
verstanden werden. Deren Glauben soll auch in der Schule verankert sein. Damit
soll ein Zeichen gesetzt werden für zielgerichtete Integration.“ (…) „Wohlgemerkt, der Islamunterricht muss heraus aus den
Hinterzimmern der Koranschulen. Deshalb ist das Wahlpflichtfach für uns alle
auch sehr wichtig. Das neue Unterrichtsfach soll gerade als staatliches Angebot
präventiv gegen islamischen Extremismus wirken und damit verhindern, dass sich
muslimische Schülerinnen und Schüler Informationen über ihre islamische Kultur
und Religion an außerschulischen Orten holen, auf die der Staat keinen Einfluss
hat.“ (…) „Bei einer Entfristung des
Unterrichtsangebotes können auch die meisten der im Modellversuch eingesetzten
Lehrer weiterbeschäftigt werden. Da eine unbefristete Beschäftigung für
Lehrkräfte einen Anreiz darstellt, wird auch gleich entsprechende Fortbildung
angeboten.“
Die drei wichtigsten im Landtag vorgebrachten Gründe
sind: 1. Islamischer Unterricht fördere die Integration, wirke 2. dem Besuch
der Koranschulen entgegen und gebe 3. den bisher befristet beschäftigten
islamischen Lehrkräften die Sicherheit einer unbefristeten Anstellung. Während
Punkt drei wohl über jeden Zweifel erhaben ist, sollten die beiden anderen
Behauptungen durch die 2014 und 2019 durchgeführten Evaluationen belegt werden
können. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Die Autorinnen der 2019er Evaluation schreiben in
ihrem Fazit auf Seite 76: „Messbare Auswirkungen des
Islamischen Unterrichts auf die Integration in die Schule oder in die
Gesellschaft sind statistisch nicht nachzuweisen.“
Alle in die Evaluation eingegangene Daten stützen sich
ausschließlich auf Befragungen von mehr oder weniger stark an positiven Ergebnissen
interessierten Personengruppen. Dies ist auch den Autorinnen der Evaluation
bewusst. Sie schreiben auf Seite 78: „Da davon
auszugehen ist, dass insbesondere die Lehrkräfte, die Schülerinnen und Schüler
des Islamischen Unterrichts und die Erziehungsberechtigten an einer Fortführung
des Islamischen Unterrichts interessiert sind, kann eine positive Verzerrung
der Ergebnisse nicht ausgeschlossen werden.“
Darüber hinaus wird die im Bayerischen Landtag
geäußerte politische Erwartung, der Besuch des staatlich organisierten
Unterrichts vermindere das Interesse an Koranschulen, durch den
Evaluationsbericht aus dem Jahr 2019 nicht gestützt, im Gegenteil. Auf Seite 9
heißt es in dem Bericht: „Obwohl der Islamische
Unterricht bei den Schülerinnen und Schülern eine hohe Akzeptanz findet,
scheint die Koranschule darüber hinaus dennoch für drei Viertel der
Schülerinnen und Schüler eine bedeutsame Rolle zu spielen: Knapp die Hälfte der
Schülerinnen und Schüler des Islamischen Unterrichts besucht zusätzlich die Koranschule
ihrer Moschee. Diejenigen, die angegeben haben, keine Koranschule zu besuchen,
wurden gefragt, ob sie lieber eine solche besuchen würden. Die Hälfte dieser
Schülerinnen und Schüler bestätigte diese Frage.“ Diese
Aussage in Evaluation 2019, konkretisiert in einer Kreisgrafik mit
Prozentwerten auf Seite 57, wird in anderer Form durch die nachfolgend
wiedergegebenen Tabellen verdeutlicht.
Quelle:
Evaluation 2019, S. 56-57
Fasst man das Befragungsergebnis zusammen, ergibt sich
folgendes Bild:
Grafisch dargestellt sieht dies folgendermaßen aus:
Der Verstoß gegen verfassungsrechtliche Vorgaben –
zusammenfassend hierzu: oben Seite 10-11 unter der Überschrift
"Etikettenschwindel" – kann offensichtlich nicht einmal mit positiven
Evaluationsdaten nach zehnjährigem Modellversuch gestützt werden.
C. Einstweilige Anordnung
Die
Änderungen des BayEUG sollen bereits zum kommenden
Schuljahr 2021/22 wirksam werden. Eine spätere Feststellung der
Verfassungswidrigkeit könnte erhebliche Probleme für alle am Schulleben
Beteiligten mit sich bringen.
Deshalb beantragen wir,
Art. 47 Abs. 1 BayEUG und Art. 47. Abs. 3 BayEUG
gemäß Art. 26 Abs. 1 VfGHG im Wege einer
einstweiligen Anordnung vorläufig außer Anwendung zu setzen.
Sollte
das Gericht weiteren Sachvortrag, weitere Beweismittel oder weitere Anträge zur
Beschleunigung des Verfahrens für erforderlich halten, bitten wir um einen
kurzen Hinweis gemäß § 139 Abs. 1 ZPO.
Im Namen und Auftrag aller Antragsteller:
Ernst-Günther
Krause
Anlagen
1. Gesetzentwurf
der Staatsregierung – Drucksache 18/15059
2. a)
Fachlehrplan für den Modellversuch Islamunterricht an der bayerischen
Grundschule
b) LehrplanPLUS Islamischer Unterricht Grundschule
komplett
c) Lernbereiche im LehrplanPLUS Islamischer
Unterricht Grundschule
3. a)
Fachlehrplan für den Modellversuch Islamunterricht an der bayerischen
Mittelschule
b) LehrplanPLUS Islamischer Unterricht Mittelschule
komplett
c) Lernbereiche im LehrplanPLUS Islamischer
Unterricht Mittelschule
4. a)
Lernbereiche im Lehrplan Kath. Religionslehre – Grundschule,
b) Lernbereiche im Lehrplan Kath. Religionslehre – Mittelschule
5. a)
Lernbereiche im Lehrplan Evang. Religionslehre –
Grundschule
b) Lernbereiche im Lehrplan Evang. Religionslehre –
Mittelschule
6. a)
Lernbereiche im Lehrplan Ethik – Grundschule
b) Lernbereiche im Lehrplan Ethik – Mittelschule
7. FAU-Information „Islamischer Unterricht – Lehramt
Erweiterung / Staatsexamen / Zertifikat“
8. Parteiprogramme
zur Landtagswahl 2018 – Auszug
9. Mein
Islambuch Grundschule 4
10. Saphir 7/8 – Islamisches Religionsbuch für junge Musliminnen und
Muslime
Die Anlagen 1 bis 8 können auch von der Webseite http://www.egkrause.de heruntergeladen werden.